Volkstänze

...in Norddeutschland, das sind Tänze die bis Ende des 19.Jahrhunderts in dörflichen Gegenden auf Hochzeiten, Jahrmärkten, Erntefesten und zu ähnlichen Gelegenheiten getanzt wurden. 

Die Figuren der Tänze sind zum Teil von höfischen Tänzen abgeleitet. Im Laufe der Zeit machten die Volkstänze Wandlungsprozesse durch, sie wurden abgerundet und damit gefälliger. Mit Beginn der Jugendbewegung entstanden in den 20-er Jahren die Jugendtänze. Die Jugendtänze wurden in Gruppen erarbeitet und dann in Form und Melodie festgelegt. 

Heute werden in den Volkstanzkreisen sowohl die Volkstänze als auch Jugendtänze geübt. Es werden neben den heimatlichen auch Tänze aus anderen Ländern getanzt. Durch den Spaß an internationalen Volkstänzen kommen Kontakte zu ausländischen Volkstanzkreisen zustande, die dazu beitragen, jeweils über den nationalen Tellerrand zu schauen. 

 

In den 60er Jahren begannen Elfriede und Karl-Heinz Lange in alten Büchern und Handschriften zu forschen. Ihre unermüdlichen Fahrten innerhalb ganz Deutschlands konnten sie im Februar 1985 mit dem Heft "Modetänze um 1800" krönen. Die Herausgabe erfolgte in der Reihe Tanzhistorische Studien des Deutschen Bundesverbandes Tanz e.V. Es sei ihnen hier Gelegenheit gegeben, einige Gedanken zu publizieren:

 

Volkstanz, wirklich Tanz des Volkes?

Dieses Thema ist in den letzten Jahren von uns näher untersucht worden und brachte uns neue Erkenntnisse über die Entstehung der Tänze. Hatten wir bis dahin nur die Volkstanzsammlungen der Jugendbewegung und einige Bücher von Tanzhistorikern des 19. und 20. Jahrhunderts zur Verfügung, so wurden wir jetzt auf die Tanzlehrbücher des 18. und 19. Jahrhunderts aufmerksam, die bisher noch nicht für Vergleiche herangezogen worden sind und auch heute von vielen älteren Volkstänzern aus Überzeugung abgelehnt werden. Erinnern wir uns doch einmal, wie die Volkstanzbewegung begann: Die Jugendbewegung, in ihren Reihen einige markante Persönlichkeiten, wie Gertrud Meyer, Marie Peters, Anna Helms, Prof. Eduard Kück, Elfriede Schönhagen und Prof. Wilhelm Stahl, begann um die Jahrhundertwende mit dem Sammeln von Tänzen, welche zu der Zeit noch außerhalb der Städte auf dem Lande getanzt wurden oder in Erinnerung waren. Viele der Tänze waren noch nicht so alt, Manchester, Redowa, Varsovienne, die verschiedenen Polkavariationen wie Polkamazurka, Jägerschottisch, Rheinländer, Pariser Polka, Kalamaika, Esmeralda, Marschpolka, Galopp usw. kamen erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts und danach auf. Sie lösten die Quadrillen und Kontratänze ab, welche über 150 Jahre lang bei uns in Deutschland und Europa in Ballsälen und Salons, später auch auf dem Lande, bei festlichen Veranstaltungen in Mode waren. Da die Sammler diese Tänze auf dem Lande gefunden und aufgeschrieben haben, hielt man sie für alte Bauern- und Volkstänze. Einige hielten und halten sie auch noch heute für alte Kult- und Brauchtumstänze und umranken sie mit allerlei Mythen. Viele dieser Sammler hatten sich vorher nie mit der Geschichte des Tanzes beschäftigt, kamen sie doch aus einer Reformbewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Gesellschaft umzugestalten oder neu zu entwickeln. Man lehnte den derzeitigen Gesellschaftstanz und die damit verbundenen Formen der bürgerlichen Tanzveranstaltungen ab und suchte mit romantischen Augen in den wiederentdeckten alten Tänzen einen neuen Weg für die Jugend. Nur ganz wenige Sammler in Deutschland ließen sich von volkskundlichen Erwägungen leiten und hinterließen für wissenschaftliche Studien hervorragende Aufzeichnungen, die uns bei unserer heutigen Vergleichsarbeit mit den Tanzlehrbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts gute Dienste leisten. So können wir anhand dieser Arbeiten das Alter und die Herkunft einiger Tänze und Tanzarten bestimmen. Viele der alten Tänze, die von den Sammlern als abgeschliffene Fragmente gefunden wurden, sind von ihnen mit einiger Phantasie frei ergänzt oder zum Teil mit alten oder neuen Tanzelementen völlig neu geschaffen, als Jugendtänze herausgebracht worden, teilweise auch als Bühnentänze. Auch findet man in den verschiedenen Auflagen der Volkstanzausgaben einiger Sammler Tänze mit unterschiedlichen Beschreibungen, woran man erkennen kann, dass sie von ihnen immer wieder überarbeitet und verändert wurden Ilmbrecht, Dieckelmann, Helms, Schultz. Diese Feststellung sollten den alten Tänzen und der Freude, sie heute wieder zu tanzen, keinen Abbruch tun. Sie sind ja auch wirklich noch eine ganze Zeit auf dem Lande getanzt worden, länger als in der Stadt. Bis auch sie wieder von neuen, moderneren Tänzen verdrängt wurden. Nur ihre Entstehung ist etwas anders verlaufen, als man bisher immer angenommen hat. Es gibt von den zwanziger Jahren an einige interessante Untersuchungen des Volkstanzes mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Vom "germanischen Kulttanz" bis zum Volkstanz der Gegenwart als gesunkener Gesellschaftstanz" findet man alles, je nachdem, wie die Verfasser ideologisch ausgerichtet waren. Für eine wirklich gute wissenschaftliche Arbeit halten wir die von Paul Jaques Bloch, welche in den Hessischen Blättern für Volkskunde" 1926/27 unter dem Titel: "Der deutsche Volkstanz der Gegenwart" erschienen ist. Es wird dort klar aufgeteilt, was man unter Volkstanz = Tänze des Volkes, verstehen kann. Er zählt zu diesen den Kriegstanz, den Tiertanz, den Fruchtbarkeitstanz, den Tortenabwehrtanz, den Dämonenabwehrtanz, den Regenzaubertanz, Erntetänze, Hochzeitstänze, soweit diese noch einen kultischen Charakter nachweisen können. Danach bringt er Untersuchungen der Gesellschaftstänze, die in den letzten 300 Jahren bei uns in Europa in Mode waren. Hierzu zitiert er die Tanzhistoriker Czerwinski, Voß, Böhme, Stork, Lach, Bie, macht aber auch gleich bei einigen kritische Bemerkungen, da er durch eigene Untersuchungen zu einem anderen Resultat kam. Vor allem gibt er immer genau seine Quellen an, was sehr wichtig ist, da man dort selbst nachlesen kann. In ähnlicher Weise hat schon 1896-1898 in den "Blättern für Pommersche Volkskunde" Dr. Alfred Haas seine Aufzeichnungen und Vergleiche über volkstümliche Tänze und Tanzreime vorgelegt. Auch er teilt die Tänze in Volkstänze (Kult- und Brauchtumstänze) und volkstümliche Tänze (Gesellschafts- und Modetänze) ein. Bei vielen bemerkt er, dass sie vor über 40 Jahren schon nicht mehr viel getanzt wurden. Von einigen Tänzen waren nur noch Name und Melodie bekannt, die Tanzform war nicht mehr aufzutreiben. Das beweist, dass die neuaufgekommenen Modetänze auch hier die älteren Tänze abgelöst hatten.

Elfriede und Karl-Heinz Lange